Marius Brüggen macht sich Gedanken zum Thema Hunger und Weltpolitik

Jeden Monat schreiben Projektträger zu einem bestimmten Stichwort. Im Oktober macht sich Marius Brüggen, Projektleiter bei Gegen Noma-Parmed e.V., Gedanken zum Thema "Hunger und Weltpolitik".

Untersuchung auf Mangelernährung mit Hilfe des Shakir Streifens in einer Gesundheitsstation in Ziniarè Burkina Faso  (© Foto: Gegen Noma-Parmed e.V.)

Unser Verein Gegen Noma-Parmed widmet sich seit seiner Gründung 2008 der Krankheit Noma in Burkina Faso, die in Europa nahezu unbekannt ist.

Noma ist eine bakterielle Infektionskrankheit, nicht ansteckend aber bei den betroffenen Kindern in 80% der Fälle tödlich und dies innerhalb von zwei Wochen. Kinder erkranken an Noma, weil sie meist akut mangelernährt, unter schlechten hygienischen Verhältnissen leben und oftmals an Nebenerkrankungen wie Malaria, HIV, Tuberkulose etc. leiden. Noma wird auch als Krankheit der Armut oder Krankheit des Hungers bezeichnet.

Diesen Kindern zu helfen und sie nachhaltig vor Noma zu schützen, ist die Aufgabe, die wir uns als Verein gestellt haben. Wir betreiben seit 2008 Aufklärungs- und Präventionsarbeit, bilden medizinisches Personal aus, organisieren Krankentransporte, versorgen mit Hilfe unserer Kooperationskrankenhäuser erkrankte Kinder und suchen seit 2018 aktiv nach Kindern, die an Noma erkrankt sind.

Um unseren ganzheitlichen Präventionsansatz abzuschließen, hatten wir für das Frühjahr 2022 vorgesehen, Kinder im Alter 6-23 Monaten (Risikogruppe für Noma) mit einer speziellen Aufbaunahrung präventiv vor Mangelernährung zu schützen - mit der sogenannten „blanket feeding“-Technik. Dies ist deshalb sinnvoll und wichtig, weil gerade in der Sahelzone nach der Trockenzeit die Zahl der akut mangelernährten Kinder rapide ansteigt und somit die Gefahr neuer Noma Fälle.

Dies ist kein neues Problem; es hat sich jedoch in den letzten Jahren durch den Klimawandel verstärkt. Im Frühjahr 2022 erreichten uns die aktuellen Zahlen des IPC, einer Vereinigung vieler Nichtregierungsorganisationen, die Nahrungsmittelunsicherheit und Mangelernährung in allen gefährdeten Ländern weltweit misst. Die Zahlen für Burkina Faso waren mit knapp 700.000 akut mangelernährten Kindern bis August 2022 nochmals schlechter als im Vorjahr und haben uns bestärkt, die Arbeit zügig fortzusetzen.

Eine Mitarbeiterin des Projektpartners PSRCPN untersucht ein Kind auf erste Anzeichen von Noma in einer Geflüchtetenunterkunft im Distrikt Dori im Nordosten Burkina Fasos. (© Foto: Gegen Noma-Parmed e.V.)

Und dann hielt die Weltpolitik Einzug.

Ich arbeite seit 2021 hauptberuflich als Projektleiter für den Verein. Eigentlich bin ich Fotograf, habe seit 2010 ehrenamtlich die Arbeit des Vereins auf vielen Reisen in Burkina Faso und Deutschland fotografisch begleitet und kenne die Projekte von daher sehr gut. In Europa hören wir immer wieder Nachrichten aus dem globalen Süden über Hunger und Not. Dies hautnah mitzuerleben auf meinen Reisen nach Burkina Faso, hat meine Sicht auf die Welt damals sehr verändert. Ich lernte, dass wir mindestens in zwei Welten leben.

2022 mitzuerleben wie schwerwiegend die globalen Auswirkungen des schrecklichen Kriegs in der Ukraine auf ein Land wie Burkina Faso und die Projektarbeit sein können, hat meine Sicht ein weiteres Mal verändert.

War unser Projekt zur Versorgung der Kinder mit der Spezialnahrung Anfang Februar noch vollständig finanziert und wir kurz davor, diese auf dem lokalen Markt einzukaufen, so fehlten nach dem 24. Februar aufgrund von rasanten Preissteigerungen plötzlich über 100.000 Euro. Die so entstandene Lücke bedrohte nun die komplette Umsetzung der Maßnahme. Zusätzlich war uns dauerhaft bewusst, dass die Auswirkungen nicht nur auf unseren Einkauf groß waren, sondern auch bei jedem einzelnen Einwohner Burkina Fasos, der Lebensmittel einkaufte. Der Bedarf war also riesig!

Die Arbeit in diesem thematischen Kontext ist manchmal schier überwältigend. Hinzu kommt die unvorstellbar schlechte Sicherheitslage bedingt durch Terrorismus, Gewalt und Vertreibung, welche zwei Millionen Menschen in Burkina Faso zusätzlich zu Binnengeflüchteten gemacht hat. Und doch gibt es immer wieder diese Situationen, in denen sich das Durchhalten lohnt, in denen fast unmöglich Geglaubtes möglich wird. Deswegen möchte ich positiv enden.

Nach dreimonatiger Arbeit konnten wir - auch dank der großzügigen und unkomplizierten Unterstützung von Sternstunden - die Finanzierung der Kindernahrung wieder sicherstellen. In einem besonderen Jahr, in dem die Nahrungsunsicherheit aufgrund von globalen Auswirkungen eines Krieges, des Klimawandels und der sich dramatisch verschlechternden Sicherheitslage so schlimm ist wie noch nie zuvor, leisteten wir gemeinsam einen Beitrag dazu, dass Kinder nicht Hunger leiden müssen.

Dies ist meine Erfahrung für 2022. Ich wusste schon vorher, dass wir gemeinsam viel erreichen können, aber mich freut es besonders, dass wir diesen immensen Kraftakt gemeinsam gemeistert haben.

Marius Brüggen arbeitet als Projektleiter bei Gegen Noma-Parmed e.V.   (© Foto: Gegen Noma-Parmed e.V.)

Meldung erstellt am: 24. Oktober 2022