Glück

Jeden Monat schreiben Projektträger zu einem bestimmten Stichwort. Im Mai macht sich Harald N. Nestroy Gedanken zum Thema „Glück“, insbesondere zum Brutto-Sozial-Glück im Königreich Bhutan.

Im „Wangsel Institute“ werden 150 hörgeschädigte Kinder unterrichtet und gefördert und haben somit Aussicht auf ein besseres, selbstbestimmtes Leben. (© Foto: Pro Bhutan e.V.)

1979 wurde der junge König Jigme Singye Wangchuck von Journalisten gefragt, wie er das Bruttosozialprodukt seines Landes steigern wolle. Schlagfertig antwortete er, dass das BSP wichtig, das Brutto-Sozial-Glück seines Volkes jedoch mindestens ebenso wichtig sei. Es zu mehren, sei ihm ein besonderes Anliegen. Wer glaubte, es handle sich um einen inhaltslosen Slogan, irrte.

Das Brutto-Sozial-Glück (BSG) wurde zur Staatsphilosophie, 2008 in der ersten schriftlichen, demokratischen Verfassung des Landes verankert. Um aus dem ideellen Konzept eine realistische Entwicklungspolitik zu gestalten, wurden dazu vier prioritäre Säulen gewählt: gerechte sozio-ökonomische Entwicklung, Erhalt der lebendigen kulturellen und spirituellen Tradition, Erhalt der Umwelt und „Good Governance“.

Der Schlüssel zum Glück der Bhutaner ist demnach nicht prioritär der übliche „westliche“ Fetisch Wachstum, sondern neben der Befriedigung realistischer, materieller Bedürfnisse primär die der nicht-materiellen als Grundlage für ausgeglichene Lebenszufriedenheit.

Der in der traditionellen bhutanischen Gesellschaft zutiefst verwurzelte gemeinsame Nenner sind die buddhistische Lehre, Ethik, Moral und Kosmologie.

Wiederholte Befragungen aller Schichten des Volks zum „Glück“ gründen auf neun Bereichen: physische Gesundheit, psychologisches Wohlergehen, Erziehung und Bildung, Zeit-Nutzung und inneres Gleichgewicht, kulturelle Vielfalt, kommunaler Zusammenhalt, ökologische Vielfalt und Resilienz, materieller Lebensstandard, verantwortungsbewusstes, bürgernahes Regieren.

Bildung ist in Bhutan als Beitrag zur Verwirklichung des Ziels Brutto-Sozial-Glück anerkannt. (© Foto: Pro Bhutan e.V.)

Wie zu erwarten, bewerten sich längst nicht alle Befragten als glücklich.  Doch trotz - aus unsrer Sicht - noch verbreiteter Armut und harter Lebensbedingungen pendeln die positiven Antworten immerhin um die 50 Prozent. Entscheidend für das Gesamtbild ist, dass die Regierung auf die Bürger hört, eine Politik betreibt, die ständig danach trachtet, die Staatsraison des BSG umzusetzen, die Bürger und Bürgerinnen im bhutanischen Sinne glücklicher zu machen. Dazu dient die weltweit einmalige „BSG-Kommission“. Sie steht über allen Ministerien und Behörden, prüft alle Regierungsmaßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit den Postulaten von BSG.

Was hat BSG mit Sternstunden zu tun? So einiges! Denn die Projekte, die der Pro Bhutan e.V. insbesondere mit maßgeblicher finanzieller Unterstützung von Sternsunden durchführt, sind in Bhutan, von den Menschen, der Regierung und dem König als Beitrag zur Verwirklichung des Ziels BSG hoch willkommen und anerkannt:

-Für blinde Kinder: der Bau von je einem Heim für Mädchen und Jungen im „Muenselling Institute“ für benachteiligte Kinder.

-Für hörgeschädigte Kinder: der Bau von vier Schulgebäuden und zwei Heimen mit insgesamt neun Gebäuden des „Wangsel Institute“, der einzigen - ebenfalls in Zusammenarbeit von Pro Bhutan e.V. mit dem Erziehungsministerium Bhutans geschaffenen - Einrichtung für derartig benachteiligte Kinder.

Die Lebensfreude, die Begeisterung, ja, das Glück, das die Kinder ausstrahlen, deren Leben, Lebenschancen über diese Projekte so markant verbessert werden, sind „anfassbarer“ Bestandteil des „Brutto- Sozial-Glücks“ Bhutans.   

Harald N. Nestroy ist Geschäftsführer von Pro Bhutan e.V. und Botschafter a.D. (© Foto: privat)

Meldung erstellt am: 17. Mai 2022