Umbau und Ausstattung einer Wohngruppe für Flüchtlingsmädchen

München ist eine der Städte mit den meisten Inobhutnahmen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (umF). Der Anteil der Mädchen ist zwar verhältnismässig immer noch sehr gering, mittlerweile jedoch auf 14 Prozent gestiegen. In der Mädchenschutzstelle des Internationalen Bundes München werden seit 20 Jahren unbegleitete minderjährige Flüchtlingsmädchen aufgenommen; inzwischen liegt die Zahl bei circa 150. Die sozialpädagogische Wohngruppe M3 im Münchner Stadtteil Denning betreut sieben von ihnen in ihrem Lebensalltag. Sternstunden hat den Umbau und die Ausstattung des Hauses finanziert.

Projekt Steckbrief

ProjektdurchführungInternationaler Bund - Freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit e.V. Verbund Bayern Jugendhilfe & Migration

Goethestr. 43
80336 München 

Aktionsjahr2013
OrtOberbayern, München
Fördersumme55.300,00 €

Ganz langsam lernt Shabáan wieder das Lächeln

(© Foto: C. Bacher, P. Szeiler)

Ein Interview mit Verena Haggenmüller, Leitung der Wohngruppe M3:

Warum ist der Anteil der männlichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (umF) höher?
Oftmals werden junge Männer mit dem Ziel die Versorgung und Ernährung der Familie im Heimatland zu übernehmen ins Ausland geschickt. Die Chancen, die Flucht trotz der schwierigen Umstände zu überstehen, mag zudem bei männlichen umF als wahrscheinlicher/ gewinnbringender bewertet werden. Nicht zu vergessen sind die klassischen Rollenzuschreibungen, die in vielen Kulturkreisen nach wie vor vorherrschen. Frauen bleiben mit den Kindern häufig im Heimatland zurück.

Welche mädchenspezifischen Fluchtursachen gibt es?
Zwangsprostitution, Menschenhandel, Bürgerkrieg und Krieg im Heimatland, sexualisierte Gewalt, Androhung oder vollzogene Zwangsheirat, Androhung oder vollzogene Genitalverstümmelung, religiöse Verfolgung, Tod der Angehörigen.

Wie sehen die Bedingungen für Mädchen während der Flucht aus?
Die allein reisenden Mädchen sind aufgrund ihres Geschlechts noch gefährdeter, Opfer von Gewalt zu werden. Je nach Fluchtweg befinden sie sich Monate bis Jahre auf der Flucht. Hunger, Durst, Hitze und Angst sind ständige Begleiter. Oft schließen sie sich in Gruppen mit anderen Frauen zusammen, da dies ihnen Sicherheit gibt. Kontaktmöglichkeiten zur Familie im Heimatland bzw. auf der Flucht verlorener Angehöriger sind kaum bis gar nicht möglich. Die Mädchen berichten von roher Gewalt durch "uniformierte Personen" in der Gefangenschaft, kaum medizinischer Versorgung und Verwahrlosung.

Shabáan ist 15 Jahre alt, als sie in München ankommt, hinter sich eine lange angstvolle Odyssee. In ihrem Heimatland Somalia wird sie von ihrer Adoptivmutter schwer misshandelt und genital verstümmelt, sowie von deren Söhnen regelmäßig vergewaltigt. Sie flieht von dort und lebt als Straßenkind in Mogadishu, ihren Lebensunterhalt verdient sie sich mit betteln. Mit falschen Versprechungen bringt sie ein Mann nach Deutschland, hier wird sie zur Prostitution gezwungen. Nach kurzer Zeit kann sie fliehen, wird jedoch von der Polizei aufgegriffen. Aufgrund ihres Alters kann sie nicht in eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht werden, und muss so die Nacht auf der Polizeiinspektion verbringen. Die Mädchenschutzstelle des Internationalen Bundes nimmt Shabáan am nächsten Tag auf. Sie hat schwere psychosomatische Beschwerden, benötigt dringend ein stabiles Umfeld mit festen und klaren Strukturen. Anfang des Jahres konnte sie in die Wohngruppe M3 ziehen, in der sie Halt findet und liebevoll und fachlich hochqualifiziert aufgefangen wird, damit auch die seelischen Wunden etwas heilen können.

Wie ist das Vorgehen, wenn ein Mädchen bei Ihnen ankommt und wie lange sind sie bei Ihnen?
In der Mädchenwohngruppe können sie bis zu 36 Monaten verbleiben; sie versteht sich als Anschlussmaßnahme unserer Inobhutnahmestelle (Mädchenschutzstelle) bzw. unserer Clearingstelle (CleVer) und bietet einen strukturierten Rahmen aus Einzel- und Gruppenangeboten, welcher zur Stabilisierung beitragen soll. Die Mädchen werden an schulanaloge Angebote oder Übergangsklassen angebunden oder bei der Suche eines Ausbildungsplatzes unterstützt. Aufgrund der traumatisierenden Bedingungen auf der Flucht bzw. im Heimatland werden die Mädchen im psychosozialen Bereich unterstützt. Der Erwerb der deutschen Sprache sowie die Unterstützung im alltagspraktischen Bereich, Orientierung und Kennenlernen des neuen Lebensumfelds in München, eine umfassende medizinische Versorgung und Begleitung im Asylverfahren sind Bestandteil der Arbeit mit den Mädchen. Insgesamt ist die Einrichtung ein auf längere Dauer angelegter Lebensort, welcher den Mädchen Schutz- und Schonraum sein soll.

Durch Einrichtungen wie die Mädchenwohngruppe M3, haben die Mädchen die Chance auf ein relativ "normales" Leben. Gelingt eine Integration?
Unserer Erfahrung nach gelingt Integration am besten, wenn die Mädchen über ausreichend Kontakte und Beziehungen verfügen, also in ein tragfähiges Netz eingebunden sind (Freunde, Vereine, Alltagsstruktur, Therapeutinnen). Je besser die sprachliche Kompetenz und Schulausbildung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer gelingenden Integration. Nur dann können die Mädchen sich selbstständig und handlungsfähig in Deutschland erleben. Das teilweise sehr lang andauernde Asylverfahren belastet die Mädchen sehr, was ihnen ein relativ "normales" Leben deutlich erschwert.