Ukrainekrieg bringt Kindern Verluste, Trennungen, Schmerz und psychische Folgen
Der von Sternstunden veranstaltete Runde Tisch „Der Ukrainekrieg und die Auswirkungen auf Kinder“ am 21. Mai zeigte, wie verheerend die Lage vor Ort nach wie vor ist. Die Spendenbereitschaft der Menschen nimmt ab, obwohl die Bedarfe – gerade für Kinder und Familien – immer größer werden.

Für ukrainische Kinder ist der Krieg nicht nur eine Nachrichtensendung. Er bedeutet Verluste, Trennung, Schmerz, eine verwundete, zerrissene Kindheit und psychische Folgen. Die Vereine Ärzte der Welt, Brücke nach Kiew, Die drei Musketiere und Lebenshilfe Ostallgäu versuchen die Kindheit zu schützen und wiederherzustellen und berichteten beim von Sternstunden organisierten Runden Tisch von ihrer Projektarbeit in der Ukraine.
Julia Brunner, Leitung internationale Projekte, Ärzte der Welt e.V.:
Gesundheit ist ein Menschenrecht, daher ist es das Ziel, eine umfassende medizinische Grundversorgung für die ukrainische Bevölkerung, v.a. Kinder und Frauen sicherzustellen. Acht mobile Einheiten arbeiten in Donetsk und Dnipro in Zentren für Binnenflüchtlinge mit dem Fokus auf psychosoziale Unterstützung. Sternstunden hat mit 750.000 Euro unterstützt.
„Gerade Kinder sind die Leidtragenden dieses Krieges. Ihre Ängste vor Verlust, Zerstörung und Tod sind unvorstellbar groß und nur schwer zu verarbeiten. Bis Anfang 2023 haben wir in Szenarien gearbeitet und es kam immer anders. Für unsere Arbeit ist nur eines wichtig: ´Dass es Frieden gibt´. Darauf hoffen wir und arbeiten auch darauf hin. Mit der Länge des Krieges, wir sind nun im vierten Jahr, kommen neue Bedarfe auf, neue Szenarien, auf die wir flexibel reagieren müssen.“

Michael Binner, 1. Vorsitzender des Vorstands, Brücke nach Kiew e.V.:
Kiew ist die Partnerstadt von München. Sie hat 3 Mio. Einwohner und 409.000 Binnenflüchtlinge aufgenommen. Der Verein unterstützt in Kiew eine Tagespflegeeinrichtung für behinderte Kinder, darüber hinaus versorgt er seit Kriegsbeginn auch ca. 500 bedürftige Kinder mit Lebensmitteln, Medikamenten, Hygieneartikeln und Kleidung. Sternstunden hilft hier mit 300.000 Euro.
„Einer unserer Mitarbeiter in Kiew beschreibt seine Kriegsmüdigkeit anhand eines Beispiels: Bei einem nächtlichen Luftalarm entscheidet er mittlerweile nicht in den Keller zu gehen, sondern ins Bad, weil es dort keine Fenster gibt. Vor kurzem gab es ganz in der Nähe seines Hauses eine Explosion, die ihn beinahe das Leben gekostet hätte. Er ist im wehrfähigen Alter und sitzt zuhause, sonst wird er eingezogen. Er hat eine wichtige Rolle für uns, aber der Staat sieht dies anders. Das ist die Realität der Menschen.“

Markus Brandstätter, Vorstandsvorsitzender, Die drei Musketiere e.V.:
In der Region Charkiw unterstützt der Verein 88 Waisenkinder in 27 Pflegefamilien wöchentlich mit Lebensmitteln und Wasser und monatlich mit Hygienepaketen. Sternstunden fördert dieses Engagement mit 130.000 Euro.
„Die Kinder erzählen von großen Ängsten. Auf Spielplätzen können die Kinder nicht mehr spielen, da die meisten Plätze vermint sind. Die soziale Isolation ist schwierig für sie, denn die Schule findet im Homeschooling statt, Freundschaften können nicht mehr entstehen. Zwei 10- und 11-jährige Jungen spielen in voller Montur „Check-Point“ vor ihrem Haus, sie wollen so ihre Eltern zu beschützen.“
„Ich lerne viel von den Menschen in der Ukraine: Freundschaft, Liebe, Zusammenhalt, Solidarität. Ich lerne viele großartige Menschen kennen, das ist ein großer Motivationsschub auch weiterhin persönlich vor Ort Hilfe zu leisten.“
Klaus Prestele, Geschäftsführer, Lebenshilfe Ostallgäu e.V.:
Die Lebenshilfe hat im Mai den Neubau eines Zentrums für Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigung in der Bukowina (Mamajiwzi) eingeweiht. Sternstunden hat den Bau mit 360.000 Euro unterstützt. Darüber hinaus unterstützt die Lebenshilfe Binnengeflüchtete in Czernowitz, wo 80.000 Binnenflüchtlinge auf 250.000 Einwohner kommen. Sternstunden hilft mit 70.000 Euro.
„Jede Familie findet andere Wege. Jede Mama ist unterschiedlich stark. Wir machen die Eltern stark und dies wirkt sich positiv auf die Kinder aus. Die Kinder sind ganz schön erwachsen geworden - auf eine negative Weise. Das Kindliche, die Leichtigkeit ist verloren gegangen. Kinder haben Angst um ihre Eltern und versuchen so zu leben, dass sie ihren Eltern nicht zur Last fallen.“
Klaus Prestele erzählt von einem berührenden Beispiel:
„Ein Junge braucht ununterbrochen ein Beatmungsgerät, das bisher mit Strom über eine Steckdose betrieben wurde. Bei einem plötzlichen Stromausfall, und damit Ausfall des Geräts, bekam er keine Luft mehr. Seine Mutter und sein Bruder mussten ihn wiederbeleben. Jetzt hat er ein Gerät mit Akku von uns bekommen.“

Auswirkungen auf die Kinder: Die anschließende, von Sybille Giel moderierte Diskussionsrunde zeigte, dass die Kinder posttraumatische Belastungsstörungen entwickelt haben, oft ängstlich, verschlossen, aggressiv, apathisch und depressiv sind. Sie haben das Gefühl der Sicherheit verloren. Die Kinder haben ihren gewohnten Schulalltag, Unterhaltungsmöglichkeiten und den Zugang zu Aktivitäten und Spielen verloren. Nach einer Flucht oder einem Verlust ist es für sie schwierig, sich in eine neue Gemeinschaft zu integrieren.
Daher ist die psychosoziale Unterstützung der Kinder und ihrer Eltern, um Traumata zu heilen oder zu vermeiden, die wichtigste Aufgabe für alle in der Ukraine tätigen Organisationen.
Die Sicherheit (kontinuierlicher Beschuss, Landminen) stellt eine weitere Herausforderung für die Arbeit in den Projekten dar.
Die Vereine beklagen eine Kriegsmüdigkeit und leider auch eine Spendenmüdigkeit der Menschen in Deutschland sowie reduzierte institutionelle Mittel.
Alle schätzen daher die Flexibilität und Schnelligkeit in der Zusammenarbeit mit Sternstunden sowie die Verlässlichkeit, den Vertrauensvorschuss und die langfristige Partnerschaft. Auch der Runde Tisch zeige, dass der Fokus für die Ukraine da ist. Für die Partner in der Ukraine bedeutet dies „Wir spüren, dass ihr in Deutschland uns nicht vergesst. Wir werden nicht allein gelassen.“
Der Ukrainekrieg und die Auswirkungen auf Kinder

Hilfe für Kinder in der Ukraine: Credit: Drei Musketiere Reutlingen e.V.
Drei Musketiere Reutlingen e.V.Meldung erstellt am: 21. Mai 2025